Die Wirklichkeit ist kein Statistik-Handbuch.

Warum JETZT in den Umfragen bei zwei Prozent liegt, in den Rohdaten aber auf 3,4 Prozent kommt. Immer wieder beklagen Umfrageinstitute: Wahlumfragen sind keine exakte Wissenschaft. Es sei daher kein Wunder, dass am Wahltag in schöner Regelmäßigkeit wenigstens einige Vorhersagen weit daneben liegen. Für eine einigermaßen verlässliche Prognose stecken einfach zu viele Unsicherheiten im Prozess.Das Problem: Durch die Angaben von Schwankungsbreiten und das das Verheimlichen der Unsicherheitsfaktoren wecken die Umfrageinstitute den Eindruck, ihre Prognosen wären sicher. Schwankungsbreiten sind aber selbst nur Einschätzungen der Institute, um wie viel sie sich irren könnten. Die tatsächlichen Ergebnisse liegen oft weit außerhalb dieser Schwankungsbreiten. Im Juni 2016 sagten etwa alle Umfragen einen Verbleib des Vereinigten Königreichs in der EU voraus. Im selben Jahr waren sich alle Umfragen sicher, dass die neue Präsidentin der USA Hillary Clinton heißen würde. Im ersten Wahlgang des Bundespräsidentschaftswahlkampfs sagten sämtliche Institute Norbert Hofer übereinstimmend 21 bis 24 Prozent voraus. Es wurden über 35.Diese groben Schnitzer sind den Instituten nicht grundsätzlich vorzuwerfen. Sie sind einfach unvermeidlich. Das liegt daran, wie Umfragen erstellt werden. Wahlumfragen werden online oder telefonisch durchgeführt, meist stammen die Antworten aus einem Mix beider Methoden. 800 bis etwa 2.000 Menschen werden angerufen, oft von Studenten, die das entweder von zu Hause oder in einem Callcenter machen. Die Institute haben dazu eine Reihe von Festnetznummern in ihren Datenbanken.Stellen wir uns nun die Frage, wer tagsüber am Festnetz erreichbar und bereit ist, einen vorgefertigten Fragekatalog zu bearbeiten: Das ist kein repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung. 800 Menschen, das gängigste Sample bei Wahlumfragen, sind außerdem nur ein Bruchteil der rund 6,5 Millionen Wahlberechtigten.Also muss von den erhobenen Rohdaten aus geschätzt werden. Dazu hat jedes Institut seine eigenen Modelle. Ein Beispiel: Fast 60 Prozent der Österreicher lebt in Städten. In den Umfragen ist die Landbevölkerung aber häufig überrepräsentiert. Die Institute wissen aus Erfahrung, dass Menschen aus Städten tendenziell anders wählen, als solche, die am Land leben. Die entstandene Unschärfe müssen sie aufgrund dieser Erfahrungen wegschätzen. Dasselbe gilt für das unterschiedliche Wahlverhalten von Frauen und Männern, Jungen und Alten, nach Bildungsabschluss, Einkommen, etc. All diese Faktoren müssen aufgrund von Erfahrungswerten geschätzt werden. Das ist umso schwieriger, je kleiner eine Partei ist (weil es weniger Befragte gibt, von denen man ausgehen kann). Je neuer eine Partei ist, desto weniger Erfahrungswerte für die Schätzungen der Institute liegen vor. Die Unschärfe steigt folglich.